Teleologie statt Multiversum

Immer wieder wird die beeindruckende Leistung von Quantencomputern als Bestätigung für die Multiversumstheorie interpretiert. Jüngst sorgte der Quantenchip Willow von Google für Aufsehen: Dieser Chip löste eine Aufgabe in weniger als fünf Minuten, für die herkömmliche Supercomputer rund 10 Septillionen Jahre benötigen würden. Einige Wissenschaftler sehen darin einen Hinweis darauf, dass Quantenberechnungen in mehreren parallelen Universen gleichzeitig ablaufen könnten. Besonders die Viele-Welten-Interpretation der Quantenmechanik, die eine Aufspaltung des Universums bei jeder Quantenmessung postuliert, wird als Erklärung herangezogen.

Doch ich möchte hier aufzeigen, warum das Gegenteil der Fall ist. Statt einer Bestätigung der Multiversumstheorie deutet die Funktionsweise von Quantencomputern vielmehr auf eine andere, faszinierende Erklärung hin: die Teleologie des Kosmos.


Die Multiversumstheorie: Ein kurzer Überblick

Die Idee eines Multiversums, also einer unendlichen Vielzahl von parallelen Universen, geht auf Hugh Everett zurück. Im Jahr 1957 entwickelte er in seiner Doktorarbeit an der Princeton University die „Relative State Formulation of Quantum Mechanics“, heute besser bekannt als Viele-Welten-Interpretation. Everett wollte die Quantenmechanik allein durch die deterministische Entwicklung eines Zustands erklären, ohne auf den sogenannten „Kollaps der Wellenfunktion“ zurückgreifen zu müssen. Es war der Versuch, die Vorstellung eines kausalen Determinismus zu retten.

Laut dieser Theorie spaltet sich das Universum bei jeder Quantenmessung in mehrere Versionen auf, in denen jeweils ein anderes Ergebnis realisiert wird. Diese Idee fand zunächst wenig Anklang, gewann jedoch ab den 1970er Jahren durch den Physiker Bryce DeWitt an Popularität. David Deutsch, ein weiterer Pionier auf diesem Gebiet, griff Everetts Ideen auf und nutzte sie zur Beschreibung von Quantencomputern.

Doch was bedeutet das konkret? Die Viele-Welten-Interpretation versucht, die scheinbar willkürlichen Ergebnisse von Quantenmessungen zu erklären, indem sie annimmt, dass alle möglichen Ergebnisse tatsächlich eintreten – allerdings in jeweils unterschiedlichen Universen. So faszinierend diese Idee auch klingt, sie bleibt spekulativ und birgt erhebliche logische Probleme.


Das anthropische Prinzip und die Feinabstimmung des Universums

Ein weiteres Argument, das häufig für das Multiversum herangezogen wird, ist die Feinabstimmung der Naturkonstanten. Unser Universum scheint so präzise auf die Entstehung von Leben abgestimmt zu sein, dass es unwahrscheinlich erscheint, dies dem Zufall zuzuschreiben. Insgesamt gibt es 37 Naturkonstanten, wie etwa die Gravitationskonstante oder die Lichtgeschwindigkeit, die exakt die Werte besitzen, die Leben überhaupt erst ermöglichen.

Um dieses Problem ohne Rückgriff auf eine Metaphysik zu erklären, postulieren Anhänger des Multiversums, dass es unendlich viele Universen mit unterschiedlichen Konfigurationen gibt. Wir befinden uns in dem einen Universum, das für Leben geeignet ist. Denn nur hier konnten wir überhaupt entstehen. Ein anderes Universum könnten wir nicht beobachten, da wir dort nicht entstehen würden. Es ist also kein metaphysisches Wunder, sondern lediglich logische Notwendigkeit, dass wir in einem Universum leben, in dem die Naturkonstanten so abgestimmt sind, dass wir entstehen konnten und es nun beobachten.
Doch auch dieses Argument hat Schwächen: Ein sogenanntes „Bolzmann-Gehirn“ bietet eine alternative Perspektive. Dabei handelt es sich um eine hypothetische, rein zufällige Anordnung von Materie im Universum, die kurzzeitig Bewusstsein erlangt und sich dabei in eine illusorische Zeitlinie zwischen Vergangenheit (virtuelle Erinnerungen) und Zukunft (virtuelle Erwartungen) eingebunden fühlt. Solche Strukturen könnten theoretisch in einem Universum spontan aus dem Quantenvakuum entstehen, ohne dass dafür ein großer kosmischer Zusammenhang nötig wäre, und würden nach kurzer Zeit wieder zerfallen. Die Wahrscheinlichkeit ist natürlich sehr gering und liegt geschätzt zwischen 1 zu 10^(10^21) und 1 zu 10^(10^70).

Aber die Wahrscheinlichkeit, dass alle Naturkonstanten so fein abgestimmt sind, dass wir entstehen konnten, liegt um etliche Größenskalen darunter bei ca. 1 zu 10^(10^123).
Das bedeutet: Die Wahrscheinlichkeit, dass wir ein Bolzmann-Gehirn sind, das sich eine konsistente Vergangenheit und Zukunft nur einbildet, wäre größer, als dass wir in einem Universum leben, das zufällig perfekt für Leben abgestimmt ist. Auf jedes Universum, das tatsächlich Leben hervorbringt, kämen 10^(10^53) Universen, in denen sich Bolzmann-Gehirne kurzfristig einbilden, sie würden in einem Kosmos existieren, der Leben hervorbringen kann. Sind wir also lediglich Bolzmann-Gehirne? Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür.


Wie funktionieren Quantencomputer wirklich?

Um die Frage zu klären, ob Quantencomputer die Multiversumstheorie stützen, schauen wir uns ihre Funktionsweise an. Ein klassischer Computer arbeitet linear: Er untersucht mögliche Lösungen nacheinander, bis er die richtige findet. Ein Quantencomputer hingegen nutzt das Phänomen der Superposition. Das bedeutet, dass er viele mögliche Zustände gleichzeitig darstellen kann.

Stellen Sie sich vor, Sie suchen eine Nadel in einem riesigen Heuhaufen. Ein klassischer Computer schickt einen Suchagenten los, der den Heuhaufen systematisch durchsucht. Ein Quantencomputer hingegen schickt gleichzeitig Milliarden von „Agenten“ los – jedoch nicht in der Realität, sondern in Form von Quantenwahrscheinlichkeiten. Sobald einer dieser Agenten die Nadel findet, „realisieren“ sich die Ergebnisse, und die anderen Agenten verschwinden, als hätten sie nie existiert. So wirkt es, als hätte der Quantencomputer „gewusst“, wo die Nadel liegt. Diese Vorgehensweise grenzt an „Wahrsagerei“.


Was bedeutet das für die Multiversumstheorie?

Betrachten wir den Quantenchip Willow von Google. Mit seinen 105 supraleitenden Qubits kann Willow theoretisch 2^105 Zustände gleichzeitig repräsentieren. Das entspricht einer astronomischen Zahl: 40,565 Quintillionen. Die Idee, dass diese Berechnungen in ebenso vielen parallelen Universen ablaufen, erscheint zunächst plausibel. Doch hier liegt der entscheidende Denkfehler: In nahezu allen dieser Universen würde die gesuchte Nadel NICHT gefunden werden. Das bedeutet, dass die Leistung eines Quantencomputers im Rahmen der Multiversumstheorie reine Zufälle wären – eine Annahme, die wenig überzeugend ist.

Diese Klarstellung ist wichtig, um Missverständnisse in der öffentlichen Wahrnehmung von Quantencomputern und Quantenphysik zu vermeiden. Quantencomputer sind beeindruckende technologische Errungenschaften, aber sie beweisen keine spezifischen Interpretationen der Quantenmechanik. Schon gar nicht die Multiversumstheorie.


Die logische Alternative: Teleologie des Kosmos

Wenn die Multiversumstheorie keine zufriedenstellende Erklärung liefert, was bleibt dann? Ich schlage vor, dass der Quantenkollaps nicht deterministisch-kausal ablaufen muss. Stattdessen könnte er von einer „Top-Down-Teleologie“ gesteuert werden – einer zielgerichteten Subjektivität, die in meinem Evolutionären Idealismus eine zentrale Rolle spielt.

Diese Teleologie beschreibt eine Art kosmische „Intention“, die mit der physikalischen Kausalität zusammenwirkt, um die Welt zu formen. Sie bietet eine Erklärung für die Feinabstimmung des Universums, die Funktionsweise von Quantencomputern und letztlich auch für das Bewusstsein selbst. Statt eines chaotischen Multiversums erkennen wir in dieser Perspektive einen Kosmos, der von einer höheren Ordnung durchdrungen ist.

Das Zusammenspiel von Bottom-up-Kausalität (der Materie) und Top-down-Teleologie (des Geistes) kann eine überzeugende Erklärung für die Feinabstimmung der Naturkonstanten liefern. Hierbei greifen zwei Prinzipien ineinander:

  1. Bottom-up-Kausalität beschreibt, wie grundlegende physikalische Gesetze und Wechselwirkungen die Struktur und Dynamik des Universums formen. Die präzise Abstimmung der Naturkonstanten ermöglicht die Entstehung von komplexen Strukturen wie Atomen, Molekülen, Planeten und letztlich von Leben. Aus materialistischer Perspektive scheinen diese Konstanten zufällig, jedoch lebensfördernd zu sein.
  2. Top-down-Teleologie hingegen postuliert, dass das Universum von einem bewussten Urgrund, einer „Matrix des Geistes“, getragen wird. Dieser geistige Urgrund träumt oder visualisiert die Realität, was bedeutet, dass das Universum so gestaltet ist, dass es Leben und Bewusstsein hervorbringt, weil dies seiner inneren Absicht entspricht. Der Geist, als schöpferisches Prinzip, formt die Realität nach einem „teleologischen Plan“.

Diese Perspektive integriert die physikalischen Bedingungen (Bottom-up) mit einer spirituellen oder idealistischen Deutung (Top-down), indem sie die Feinabstimmung der Naturkonstanten als notwendig beschreibt, um die im Geistesfeld angelegten Möglichkeiten zu realisieren. In diesem Modell ist das Universum nicht nur ein zufälliges Ergebnis, sondern ein Ausdruck eines bewussten Willens zur Existenz und Entwicklung von Leben.

Ein Kosmos, der von einem bewussten Geist „geträumt“ wird, kann kein Kosmos sein, der kein Leben hervorbringt, da Leben und Bewusstsein integrale Bestandteile der schöpferischen Absicht dieses Geistes sind. Die Teleologie des Geistes spiegelt sich also in den spezifischen Parametern der physikalischen Realität wider, die Leben möglich machen. Dies bietet eine alternative Erklärung für die Feinabstimmung, die sowohl wissenschaftliche als auch philosophische Fragen verbindet​​​.


Fazit: Warum Teleologie überzeugt

Die Vorstellung eines zielgerichteten Kosmos mag für viele ungewohnt sein, doch sie bietet eine spannende Alternative zur Multiversumstheorie. Statt einer endlosen Vielzahl von Universen, in denen alle möglichen Zufälle eintreten, könnten wir uns in einem Universum befinden, das bewusst gestaltet ist – nicht durch eine externe Macht, sondern durch die kreative Wechselwirkung von Subjektivität und Materie. Quantencomputer wie Willow sind ein faszinierender Hinweis darauf, dass unsere Welt viel komplexer und zielgerichteter ist, als es die Multiversumstheorie vermuten lässt.


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