Widersprüche im Wandel
Elon Musk sorgt derzeit für Aufsehen: Den Oscar nennt er einen „Woke Contest“, Wikipedia wird zur „Wokepedia“, und die AfD beschreibt er als ([r]echte) „Alternative für Deutschland“. Dabei scheint seine Meinung zur deutschen Politik kaum fundierter zu sein, als es seine Erfahrungen mit der TESLA-Fabrik in Grünheide erlauben. Musks Äußerungen und sein Verhalten wirken zunehmend widersprüchlich, gerade im Vergleich zu den Idealen, mit denen er einst angetreten ist.
Ein Experiment namens Grok
Dabei hätten ihm seine Erfahrungen mit seiner eigenen KI Grok schon eines Besseren belehren können. Er wollte zu der „woken KI“ von OpenAI eine unzensierte Alternative schaffen und hat Grok erfunden. Doch das Experiment verlief anders als erwartet: Grok, die keine Filter kennt, bezeichnet Musk selbst als die größte Quelle für Falschinformationen auf X (ehemals Twitter). Zudem antwortet sie oft politisch korrekt und im Einklang mit Fakten – genau das, was Musk eigentlich vermeiden wollte. Ironischerweise zeigt Grok, dass eine objektive Analyse der Welt zu Ergebnissen führt, die Musk als „woke“ ablehnt.
„Woke“ = Realismus!
„Woke“ als Synonym für Realismus
Die Realität scheint „anti-woken“ Populisten nicht zu gefallen, weshalb sie oft auf Falschinformationen zurückgreifen müssen. Auch Musk bewegt sich immer stärker in diese Richtung, obwohl ihm Grok ein Spiegel seiner Widersprüche vorhält. Dennoch besteht kein Grund zur Panik: Seine libertäre Grundhaltung mag kontrovers sein, aber sie bleibt vergleichsweise harmlos – vor allem im Vergleich zu Politikern wie Javier Milei in Argentinien.
Libertäre Visionen und ihre Grenzen
Milei bezeichnet sich selbst als liberal-libertär und sieht den Staat als kriminelle Organisation, die es zu zerschlagen gilt. Er lehnt staatliche Interventionen ab und betrachtet Steuern als Zwangsmaßnahme zur Ausplünderung der Bürger. Aber trotz eines Rückgangs der Inflation auf 3,5 % im Jahr 2024 steht Argentinien vor erheblichen wirtschaftlichen Herausforderungen, darunter eine hohe Armutsrate und eine anhaltende Rezession. Mileis radikale Reformen haben zwar einige positive wirtschaftliche Indikatoren hervorgebracht, aber vor allem Armut und soziale Spannungen ausgelöst. Libertäre Ideen bleiben eben genauso weltfremd wir kommunistische Ideen, wenn sie der Realität der Menschen nicht mit zusätzlichen Begleitmaßnahmen begegnen.
Musk, Milei und die Realität
Musk scheint Milei als Vorbild zu sehen, verfolgt jedoch in manchen Punkten eigene Ansätze. Sein Ziel eines Bürokratieabbaus ist keineswegs neu: Deutschland hatte zwischen 1919 und 1932 ähnliche Reformen umgesetzt – und könnte sie heute gut wieder gebrauchen. Musk unterscheidet sich jedoch von klassischen Libertären, indem er ein Bedingungsloses Grundeinkommen unterstützt. Seine Vision: Weniger Bürokratie, mehr wirtschaftliche Freiheit, aber mit einer sozialen Grundsicherung. Diese Kombination könnte, verbunden mit klaren Umweltzielen, durchaus funktionieren. Fraglich bleibt dabei trotzdem, wie Kultur (der „Luxus“, der zum Überlegen nicht notwendig ist) in solch einem System finanziert werden könnten. Kultur als Almosen der Reichen ist keine Option für eine ziviliserte Gesellschaft.
Reformbedarf in den USA
Musks Kritik an der Bürokratie der USA ist nicht unberechtigt. Seit ihrer Gründung ist der Verwaltungsapparat stetig gewachsen und wurde selten effektiv reformiert. Unter Präsident Franklin D. Roosevelt zum Beispiel wurde der Verwaltungsapparat erheblich ausgeweitet, um die Programme des New Deal umzusetzen. Zur gleichen Zeit, als Deutschland die Bürokratie schrumpfte, wurde sie in den USA künstlich erweitert. Gleichzeitig ist das Wahlsystem der USA seit 1787 kaum angepasst worden. Hier besteht Reformbedarf, den Musk anspricht – auch wenn seine Ansätze oft unrealistisch wirken.
Kindlicher Enthusiasmus und visionäre Genialität
Musk mag durch sein Asperger-Syndrom und seine nerdige Art wie ein Charakter aus „The Big Bang Theory“ erscheinen. Doch genau diese Eigenschaften haben Innovationen wie die Elektromobilität vorangetrieben. Ohne Musk wären die USA womöglich noch immer auf russische Unterstützung für die ISS angewiesen.
Aktuell sorgt sein kindlicher Enthusiasmus eher für Kontroversen als für Hoffnung. Dennoch zeigt er mit Projekten wie „Colossus“ – einem Supercomputer mit über 100.000 Nvidia H100-GPUs – dass sein unkonventionelles Denken immer wieder zu beeindruckenden Durchbrüchen führt. (Die Expertenmeinung vorher war, dass es nur bis zu einem Zusammenschluss von ca. 25.000 GPUs funktionieren kann. Musk hat ein neues System gefunden und will seinen Supercomputer demnächst auf 1 Million GPUs erweitern.)
Die größere Gefahr lauert anderswo
Während Musk polarisiert, stellen Initiativen wie das von der Heritage Foundation entwickelte „Project 2025“ eine viel ernsthaftere Bedrohung dar. Dieses Programm sieht nicht nur einen Bürokratieabbau vor, sondern einen radikalen Umbau des Regierungsapparats zugunsten einer stärkeren Machtkonzentration im Präsidentenamt, sowie den Austausch vieler Menschen in neuralgischen Positionen mit Getreuen ihrer Ideologie.
Fazit: Ein differenzierter Blick ist nötig
Musk mag in der Politik naiv und widersprüchlich agieren, doch er bleibt ein faszinierender Innovator. Vielleicht sollte er sich von seiner eigenen KI „Grok“ inspirieren lassen, die politisch deutlich pragmatischer denkt als ihr Schöpfer. Eine AGI müsste nicht aus morlischen und ethischen Überlegungen handeln, und eine gerechte Gesellschaft fördern, die mit der natur im Einklang steht, weil es „das Richtige“ wäre, sondern sie braucht nur aus rationalen Gründen ihre Entscheidungen treffen, weil Solrapunkt einfach „das mögliche Optimum“ darstellt.
So bleibt die Hoffnung, dass Musks kreativer Geist in Zukunft wieder mehr für Fortschritt sorgt – und weniger für Spaltung. Aber bis dahin würde es uns gut zu Gesicht stehen, bei der Bewertung der Rechten Populisten nicht in denselben spalterischen Populismus zu verfallen, den wir an ihnen kritisieren und stattdessen das zu berücksichtigen, was wir von den anderen fordern: Differenzierung und sachliche Argumentationen.
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